Wie man den Neid des Dieners und die Güte des Meisters umgeht


  • 1. April 2017 | 10:45 – 11:30

Vortrag, Keti Chukhrov (Moskau)

Auf den ersten Blick sind die Ursachen für die Entstehung des gegenwärtigen Populismus offensichtlich: Wellen von Finanzkrisen, Umstürze autoritärer Regierungen im Nahen Osten und in postsozialistischen Ländern mit einer religiösen Restitution im Nachgang, Deindustrialisierung in der Zweiten und Dritten Welt, dazu fehlende Möglichkeiten zum Aufbau postindustrieller Infrastrukturen, Gentrifizierung der kulturellen und intellektuellen Linken – all dies führte zu der bestehenden vergifteten Konstellation, in der die Unterdrückten nicht diejenigen sind, mit denen man sich solidarisiert, sondern die ideologischen Feinde progressiver Politik und emanzipatorischer Sozialarbeit. Identitäre Politik, kultureller Essentialismus und religiöser Fundamentalismus sind die wuchernden Eigenschaften einer rechten Konterrevolution. Doch wie konnte es passieren, dass eine progressive und emanzipatorische Rhetorik, die für Gleichheitsethik und allgemeine Aufklärung verantwortlich ist, letzten Endes eine allumfassende Stigmatisierung der Unterprivilegierten als populistische Wählerschaft hervorbrachte, während mehr oder weniger klar ist, mithilfe welcher Techniken die am stärksten Benachteiligten zu reaktionären Positionen bekehrt werden konnten? Und das Schlimmste: es passierte unter Vereinnahmung der antikapitalistischen Rhetorik durch die neofeudalen reaktionären Oligarchien. Wie konnte der Kontakt zu dieser Gruppierung abreißen, die sich gerade zu einer „Überschuss-bevölkerung“ (Karl Marx) entwickelt?